Freiwilligenarbeit - Santiago de Chile - Fenja

Fenja verbrachte drei spannende Monate in Südamerika

Einmal nach Südamerika, einmal eine ganz andere Kultur kennenlernen, einmal nicht nur wissen, wie privilegiert ich bin, sondern mir dessen auch bewusst sein, einmal ein Abenteuer erleben. Am Ende bin ich in Santiago de Chile gelandet, genau 12.224,53 km weit entfernt von Zuhause, auf der anderen Seite der Erde.

Nach meinem Abitur 2022 habe ich mich dazu entschlossen, für drei Monate nach Chile zu fliegen, das sicherste und vermutlich vielfältigste Land in Südamerika. Ein Visum brauchte ich für diesen Zeitraum nicht, aber selbst wenn ich versucht hätte, eines zu bekommen, wäre die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antrag bearbeitet wird, ungefähr so groß wie ein Sechser im Lotto.

Anfang September ging es dann los. 17 Stunden von Amsterdam über Buenos Aires nach Santiago de Chile. Dort wurde ich vom Flughafen abgeholt und zu meiner Unterkunft gebracht. Ich hatte ein kleines Zimmer in der Wohnung einer älteren Dame innerhalb eines großen Gebäudekomplexes. Mit mir wohnten dort eine chilenische Studentin, der, genau wie mir, ein kleines Zimmer gehörte und Cucha, eine ungefähr 60-jährige und unglaublich herzliche Frau. Zu meinem Raum gehörte glücklicherweise auch ein eigenes, kleines Badezimmer. Ich fühlte mich dort auf Anhieb sehr wohl, was auch daran lag, dass ich es nicht mit meinen deutschen Standards verglich. Dinge wie undichte Fenster oder teilweise eiskaltes Duschwasser trafen mich nicht völlig unvorbereitet.

Mein erster Tag war nicht nur für mich etwas ganz Besonderes, denn es war auch der Tag der Abstimmung über eine neue Verfassung in Chile. Zu diesem Anlass kamen große Teil von Cuchas Familie zu Besuch, die mich mit einer Mischung aus Englisch und Spanisch sehr herzlich begrüßten. An diesem Tag lernte ich zwei Dinge, die mich die folgenden drei Monate begleiten sollten: Chilenisches Spanisch ist ungefähr so wie bayrisches Deutsch und die politische Vergangenheit des Landes ist so präsent, dass sie aus jedem Winkel der Hauptstadt trieft.

Am darauffolgenden Tag machte ich mit der Metro auf den Weg zu meinem Freiwilligendienst. Der Jardin infantil Regacito ist ein Kindergarten im ärmeren Stadtteil Independencia und ist eng mit der dortigen Kirche verbunden. In Chile sind fast alle sozialen Einrichtungen privatisiert. Das bedeutet, dass Projekte wie der Regacito die einzige Möglichkeit für viele Familien sind, in denen beide Elternteile Arbeiten und die sich keine andere Kinderbetreuung leisten können.

Die ersten Tage im Kindergarten waren nicht einfach für mich, denn dort spricht tatsächlich niemand auch nur ein Wort Englisch und das schnelle chilenische Spanisch war für mich zu Anfang noch sehr schwer zu verstehen. Gleichzeitig wurden zwar Arbeitszeiten genannt und ich wurde zu einer Kindergartengruppe zugeordnet, doch hatte ich selten klare Aufgaben und war mir zu Anfang sehr unsicher, was ich tun sollte. Insgesamt gab es dort vier Gruppen unterschiedlicher Altersklassen, in denen ich wöchentlich wechselnd aushalf. Arbeiten musste ich wochentags von 9:30 Uhr bis 16:00 Uhr. Tatsächlich war ich aber nur selten wirklich fünf Tage in der Woche dort, denn entweder war die Einrichtung aufgrund von Feiertagen für ein oder zwei Tage geschlossen oder es gab einige Unruhen in der Stadt, weshalb ich es eher vermeiden sollte, die Metro zu nutzen, die mein einziger Weg zur Arbeit war. Während meiner Zeit dort kam dies aufgrund der eben erwähnten Abstimmung etwas häufiger vor als normalerweise, allerdings fühlte ich mich in der Stadt an sich nie unsicher, da ich mich an diesen Tagen einfach vom Zentrum der Proteste fernhielt. Nach und nach lief es im Kindergarten immer besser, ich verstand die Sprache besser, hatte viel Spaß mit den Kindern und freundete mich mit einem französischen Mädchen an, welches im selben Kindergarten einen Freiwilligendienst absolvierte.

Außerhalb der Arbeit genoss ich die Stadt in vollen Zügen, entdeckte die verschiedenen Viertel, die unterschiedlicher nicht seien konnten, besuchte den Cerro San Cristobal, ging in Museen, fand meine Lieblingsplätze und Restaurants in der Stadt, durfte den Nationalfeiertag und die chilenische Kultur erleben, traf die interessantesten Menschen, die man sich vorstellen kann, machte Ausflüge in die Anden und ans Meer, ging auf ein Coldplay Konzert und machte einen Paragliding Flug. Über die Agentur lernte ich ein paar deutsche Au Pairs kennen und durch eine Onlineplattform traf ich auch ein weiteres deutsches Mädchen, die ohne Agentur einen Freiwilligendienst an einer deutschen Schule machte. Wir verstanden uns auf Anhieb super gut und nach einiger Zeit planten wir, zusammen durch Chile zu reisen. Dafür hatte ich nach meinem 10-wöchigen Freiwilligendienst noch gute zwei Wochen eingeplant bis mein Rückflug nach Deutschland ging. Aber um nur im Ansatz das sehen zu können, was ich wollte, war das einfach viel zu wenig Zeit und so sehr ich mich auch in Santiago verliebt hatte, brach ich zwei Wochen eher auf, um einen Monat Südamerika bereisen zu können. Ich erklärte das den Verantwortlichen im Regacito, die mich problemlos gehen ließen und mir einen sehr schönen Abschied bereiteten. Bei Cucha musste ich die Unterkunft zwar trotzdem für die Zeit bezahlen, die ich eher ging, aber auch hier war der Abschied sehr herzlich und sie bot mir an, jederzeit wiederkommen zu können.

Dann ging es auch schon los. Gemeinsam mit meiner Freundin, die ich übrigens über Bumble Friends kennenlernte, machten wir uns mit dem Bus auf eine 24-Stunden Reise ganz in den Norden von Chile, in die Atacama Wüste. Wir verbrachten dort einige unfassbare Tage und flogen dann über Santiago nach Lima, in die Hauptstadt Perus. Von dort aus ging es dann einige Zeit später nach Puerto Maldonado, wo wir in einer Lodge mitten im Dschungel unterkamen. Mit einem Bus fuhren wir anschließend nach Cuzco, in die ehemalige Hauptstadt des Inkareichs in der Nähe des Machu Picchu, den wir aus mangelnder Zeit leider nicht mehr hinauf wandern konnten. Von dort aus mussten wir über Lima zurück nach Santiago, wo wir einmal unsere Rucksäcke umpackten, die während dieses Monats unser einziges Gepäck waren. Es ging weiter in den Süden Chiles nach Pucon, die Stadt am Fuße des Villarica Vulkans, der aktivste Vulkan ganz Südamerikas. Im Anschluss machten wir uns auf nach Valdivia, einer kleinen Stadt in der Nähe der Pazifikküste, von der man gut sehenswerte Nationalparks erreichen kann. Unser letztes Ziel war Chiloe, eine kleine, wunderschöne Insel, auf der man sogar Pinguine beobachten kann.

Eine letzte Busfahrt zurück nach Santiago, ein letztes Mal Essen gehen in meinem Lieblingsrestaurant und ein letzter wunderschöner Sonnenuntergang in Santiago, der nicht nur den Himmel, sondern auch die Anden, die man von jedem Punkt der Stadt betrachten kann, in ein rotes Licht taucht, ein letztes Mal Taschen packen und ein letzter Flug. Dann war alles vorbei.

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